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Mittwoch, 29.Mai 2002
>> Schenfelder Tageblatt <<
Chancengleichheit bleibt eine Utopie
Achtes Bildungsforum im JUKS mit starker Resonanz
Welche Wege führen aus der Bildungsmisere? Darüber
gingen die Meinungen bei der engagiert geführten, Diskussion
im JUKS auseinander.
Von Christian Brameshuber
SPD-Bundestagskandidat Dr. Rossmann moderierte die
Veranstaltung im JUKS. Für den Kinder- und
Jugendbeirat der Stadt Schenefeld bezog die Vorsitzende
Liv McKenzie (Mitte) Stellung. Claudia Stamm nahm
als zweite Vorsitzende des Kreiselternbeirats der
Grund-, Haupt- und Förderschulen am Podium
Platz. |
Schenefeld. Dass an Deutschlands Schulen seit Jahren etwas
schief läuft, haben Lehrer, Eltern und Schüler
lange vor den ernüchternden Ergebnis sen der weltweiten
Vergleichsuntersuchung Pisa bemerkt. Die Wirtschaftsmacht
Deutschland liegt in puncto Bildung hinter Österreich,
der Schweiz, Japan und Finnland. Diese Tatsache hat zumindest
dazu geführt, dass Schule und Erziehung wieder ins
Bewusstsein der Öffentlichkeit rücken. Die Entscheidungsträger
können sich nicht länger wegducken und die Augen
verschließen.
Prof. Dr. Michael Neubrand Fotos (4):
Brameshuber |
Doch wer liefert die passenden Lösungen für die
Vielzahl an Problemen?
Dass es keine schnellen, eindimensionalen Antworten gibt,
hat auch die Diskussion während des achten Bildungsforums
im JUKS einmal mehr aufgezeigt. 2,5 Stunden diskutierten
die 50 Gäste, darunter Lehrer, Schüler, Elternvertreter
und Kindergartenleiterinnen , mit den geladenen Experten
über das Thema: „Die Schulen nach der Pisa-Studie.
Wie verbinden wir Erziehung und Leistung?" Einigkeit
herrschte zumindest über einige Ursachen der Bildungsmisere:
Zum Beispiel darüber, dass bereits in den Kindergärten
wichtige Grundlagen gelegt werden könnten.
Ute Vellguth
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„Die Wahrnehmungs- und Sprachfähigkeit
sowie die Eigeninitiative müssen schon vor dem Schulstart
gezielt gefördert werden", forderte Claudia Stamm,
Zweite Vorsitzende des Kreiselternbeirats der Grund-, Haupt-
und Förderschulen. Die Schieflage bestehe in der Tat
„von Grund auf", ergänzte Prof. Dr. Michael
Neubrand von der Universität Flensburg.
Neubrand, Mitglied im nationalen Konsortium der Pisa-Studie,
erläuterte auch eine der zentralen Folgerungen der
Pisa-Studie: „Die Standards müssen auf einem
mittleren Niveau gesichert werden." Dabei sollten jedoch
nicht nur reine Fertigkeiten und Techniken vermittelt werden,
sondern grundlegende Prinzipien. „Wir brauchen geistig
anspruchsvolle Aufgaben, die Schüler selbstständig
lösen können." In dem jetzt von der Kultusministerkonferenz
verabschiedeten Beschluss, vergleichbare Bildungsstandards
für alle Länder einzuführen, sieht Neubrand
zumindest eine Chance.
Besonders den Grundschulen stellte der Professor ein gutes
Zeugnis aus. Nirgendwo habe sich in den vergangenen 15 Jahren
mehr zum Positiven verändert. Sein Credo: Standards
sollen nicht mit Selektion verbunden werden, sondern Perspektiven
festsetzen.
Horst Meyer, Direktor des Schenefelder Gymnasiums, brachte
die fundamentalen Probleme auf den Punkt. „Wir sollen
die Standards sichern, gleichzeitig die Chancengleichheit
verbessern und möglichst mit homogenen Lerngruppen
arbeiten." Wie das alles zusammenpasst? Darauf erhielt
der Schulleiter keine erschöpfende Antwort.
Vielleicht gibt es auch noch keine. Denn auch während
dieser Diskussion fielen die bereits bekannten Stichworte:
Binnendifferenzierender Unterricht, fachlich gut ausgebildete
Lehrkräfte, Ganztagsschulen, die qualitativ einen Mehrwert
erbringen, kleinere Klassen, eine bessere materielle Ausstattung
der Lehreinrichtungen, weniger begabte Schüler gezielt
fördern, Motivation und Interesse der Jugendlichen
steigern, Erfolgserlebnisse schaffen und auch soziale Kompetenzen
vermitteln.
Lauschten der Diskussion gespannt: Kay Hummel (von
links), Konrektor der Realschule, Horst Meyer, Schulleiter
des Gymnasiums, Rotraud Görtzen-Thiemann, Leiterin
der Gorch-Fock-Grundschule und ihre Kollegin Eva-Maria
Jürgens von der Grundschule Altgemeinde. |
Neubrand machte deutlich, dass Pisa viel über das Leistungsvermögen,
aber wenig über die einzelnen Schulen, Klassen oder
Lehrer aussagt. Eines hat die Studie jedoch, auch zu Neubrands
Verblüffung, offen zu Tage gefördert:
Die soziale Herkunft entscheidet in Deutschland maßgeblich
über die Leistungsfähigkeit. Das sei nirgendwo
so auffällig wie in der BRD. „Dieses Phänomen
potenzier sich noch durch die Gliederung des Schulsystems."
Gleiche Bildungschancen für alle? Wofür eine ganze
Generation gekämpft hat, liegt scheinbar in Trümmern.
Doch genau an dem Punkt, wo Bildungspolitik in den Fokus
gerät, endete die Diskussion. Die Systemfrage wird
weitest gehend ausgeklammert, nicht nur in Schenefeld. Was
ist Bildung und Erziehung den Entscheidungsträgern
wert? Diese Frage muss zuallererst beantwortet werden. |
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